Hacking Karlsruhe - 10 years later
Wenn Gesetze Grundrechte verletzen, warum nicht das Bundesverfassungsgericht hacken – mit Strategie, Teamwork und guter Begründung? Aus dieser Idee ist inzwischen ein zentrales Werkzeug zivilgesellschaftlicher Gegenmacht geworden: Strategische Prozessführung. Das Prinzip ist einfach: Gesetze nicht nur kritisieren, sondern systematisch angreifen, mit gezielten Verfassungsbeschwerden gegen Überwachung, Zensur und staatliche Eingriffe in die digitale Freiheit. Seitdem hat sich viel getan. Organisationen wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) haben den Weg nach Karlsruhe professionalisiert und Verfahren angestoßen, die viele aus den Nachrichten kennen: gegen die Vorratsdatenspeicherung, gegen das BND-Gesetz zur Auslandsüberwachung, gegen den Einsatz von Palantir, und gegen den Einsatz von Staatstrojanern. Einige dieser Verfahren waren erfolgreich und haben Gesetze gekippt. Andere sind krachend gescheitert – oder hängen seit Jahren in Karlsruhe fest. Dabei zeigt sich: Der Weg zum Urteil wird härter, die Erfolgsaussichten kleiner, und das Verfassungsgericht ist nicht mehr der progressive Motor, der es mal war. Dieser Talk zieht eine ehrliche Bilanz: Was bringt strategische Prozessführung wirklich? Was lässt sich aus Erfolgen und Misserfolgen lernen? Welche Fälle lohnen sich – und wo wird der Rechtsweg zur Sackgasse? Und wie verschiebt sich das Ganze inzwischen auf die europäische Ebene – wo neue Schauplätze wie der Digital Services Act oder der AI Act warten? Keine juristische Vorlesung, sondern ein Erfahrungsbericht aus zehn Jahren digitaler Grundrechtsarbeit. Es geht um Taktik, Fehlentscheidungen, unerwartete Allianzen – und um die Frage, wie man auch heute noch im Rechtssystem rütteln kann, wenn die Türen in Karlsruhe enger werden. Der Vortrag wird gehalten von Simone Ruf und Jürgen Bering von der Gesellschaft für Freiheitsrechte.