26C3 - 26C3 1.15
26th Chaos Communication Congress
Here be dragons
Referenten | |
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Daniel Reichert | |
dwt |
Programm | |
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Tag | Day 2 - 2009-12-28 |
Raum | Saal2 |
Beginn | 20:30 |
Dauer | 01:00 |
Info | |
ID | 3464 |
Veranstaltungstyp | Vortrag |
Track | Society |
Sprache der Veranstaltung | deutsch |
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Liquid Democracy
Direkter Parlamentarismus – gemeinsam verbindlich entscheiden
Wir arbeiten an einer Umsetzung der Liquid-Democracy-Idee. Dabei ist es für uns wichtig, keine Ja/Nein-Demokratie, sondern eine diskursorientierte Basisdemokratie zu etablieren: Alle können Parlamentarierinnen sein und mit allen anderen Ideen entwickeln, diskutieren, streiten, Bündnisse eingehen, Kompromisse schließen und Konsens finden. Im direkten Parlamentarismus setzt sich die beste Idee, das beste Argument durch; die verbindliche Entscheidung entsteht aus dem gemeinsamen Diskurs.
die Idee
Unser Ziel ist die Etablierung eines durchlässigen demokratischen Prinzips in politischen und gesellschaftlichen Bereichen zur Stärkung der gesellschaftlichen Mitwirkung und Mitbestimmung. Im Folgenden wird unser Konzept einer „Liquid Democracy“ ausführlich dargestellt. Die wesentlichen Grundelemente sind:
- Direkter Parlamentarismus > Verwirklichung der Idee der Demokratie
- Politikfeldparlamente > Für jedes Thema ein Parlament
- Bündnisse > Für jede Idee ein Bündnis
- Diskurs > Die Voraussetzung legitimer Entscheidung
- Skalierung > Die Teilung der Parlamente
- Dynamische Wahl > Pro Thema eine Stimme
- Chooso.org > Das Werkzeug
- Mögliche Anwendungsbereiche > Demokratische Möglichkeiten für alle Lebensbereiche
Direkter Parlamentarismus
Verwirklichung der Idee der Demokratie. Mit dem Konzept des DIREKTEN PARLAMENTARISMUS verfolgen wir das Ziel, die ursprüngliche Idee der Demokratie zu verwirklichen und auf alle Gesellschaftsbereiche – auch außerhalb des Staatswesens – anwendbar zu machen. Unsere heutige Demokratie bietet uns in erster Linie die Möglichkeit der Wahl politischer Repräsentanten. Die Wahl von Repräsentanten war bisher der einzige Weg Demokratie in einer großen Gesellschaft umzusetzen. Die eigentlichen Grundsteine der Idee der Demokratie sind jedoch die Selbstgesetzgebung und der parlamentarische Diskurs; beides wird heute nicht umgesetzt. „Echte“ Demokratie hat daher wenig mit unseren heutigen demokratischen Systemen zu tun, in denen sich die Einflussnahme des Bürgers im Wesentlichen auf die Wahl eines Bündels von Standpunkten – in Form von Wahlversprechen – alle vier oder fünf Jahre beschränkt. Mit dem DIREKTEN PARLAMENTARISMUS haben wir eine realisierbare Möglichkeit erarbeitet, die es dem interessierten Bürger erlaubt, zu jedem ihm wichtigen Thema zu jeder Zeit mitwirken und direkt und verbindlich abstimmen zu können. Wir verwirklichen ein System, in dem jeder Bürger zu jedem Thema auch Parlamentarier sein kann. (mehr Gründe für DIREKTEN PARLAMENTARISMUS) Erreichen können wir dieses Ziel durch Kombination des Politikfeldparlamentarismus, des dynamischen Wahlsystems (einer Variante des Delegated Voting) und den Möglichkeiten des Internets. Erst das Internet schafft die Grundlage für die Lösung der bisher ungelösten Frage der demokratischen Idee: Wie kann Demokratie in Gesellschaften verwirklicht werden, die eine Größe erreicht haben, die Versammlungen und chancengleichen Diskurs organisatorisch unmöglich machen. Durch das Internet und innovative Software können wir dieses Problem bereits in naher Zukunft lösen. Zeitliche, örtliche und quantitative Beschränkungen sind in der virtuellen Welt des Internets, anders als wir es von klassischen Parlamenten kennen, kein unlösbares Problem mehr; eine entsprechende Plattform wird mit chooso.org bald zur Verfügung stehen.
Politikfeldparlamente
Für jedes Thema ein Parlament. Der Politikfeldparlamentarismus gründet in erster Linie auf der Idee, dass zu jedem gesellschaftlichen Thema ein selbstständiges Parlament gegründet wird, in dem das jeweilige Thema zur Diskussion steht. In diesen parlamentarischen Räumen können Standpunkte und mögliche Auswirkungen geschildert, neue Lösungsansätze eingebracht, Kompromisse gefunden und über Strategien verbindlich abgestimmt werden. Es werden nach diesem Ansatz so viele Parlamente entstehen, wie es gesellschaftsrelevante Themen gibt; und nicht wie heute ein zentrales Parlament (auf jeder politischen Ebene), das sich mit allen Themen befasst. Hierdurch werden viele positive Effekte erzielt. Unter Anderem ermöglicht der Politikfeldparlamentarismus, dass Parlamente zu ihrem eigentlich angedachten Zweck zurückfinden: dem parlamentarischen Diskurs über gesellschaftsrelevante Sachthemen. Dieser wird zusätzlich gefördert, da in den Parlamenten nicht mehr Vertreter von wahlkampforientierten Parteien sitzen, sondern Bürger mit echtem Interesse an den spezifischen Sachthemen. Im Politischen sprechen wir hier von Politikfeldern und daher von Politikfeldparlamenten, in anderen Lebensbereichen können dies aber auch gänzlich andere Themen sein (mehr hierzu unter „Mögliche Anwendungsbereiche“). Die Mitgliedschaft zu einem Politikfeldparlament oder die Gründung eines solchen, wenn zu dem gewünschten Thema noch keines vorhanden ist, steht jedem frei, der sich zu einem Thema einbringen möchte. Es ist daher nicht wie bisher notwendig, gewählt zu werden, um einem Parlament anzugehören und somit am parlamentarischen Diskurs teilhaben zu können. Die einzige Qualifikation, die ein Parlamentarier einbringen muss, ist sein Interesse am jeweiligen Thema. Innerhalb der Politikfeldparlamente kann man sich vorhandenen Ideen anschließen und diese aktiv weiterentwickeln (siehe „Bündnisse“) oder auch eigene Ideen einbringen und zur Diskussion und Wahl stellen. Im Politischen entsteht für jedes Thema, das einen bestimmten Gesetzestext betrifft, ein eigenes Politikfeldparlament. Betreffen unterschiedliche Themen den gleichen Gesetzestext, werden diese Politikfeldparlamente zusammengelegt.
Bündnisse
Für jede Idee ein Bündnis. Innerhalb der Politikfeldparlamente können sich Menschen mit ähnlichen Vorstellungen in Bündnissen zusammenschließen. Bündnisse stellt man sich am ehesten vor wie Parteien, die sich nur ein spezifisches gesellschaftliches Anliegen zur Aufgabe gemacht haben. Auch innerhalb der Bündnisse entsprechen viele Abläufe der inneren Organisation heutiger Parteien. Es kann der Standpunkt eines Bündnisses von den Mitgliedern gemeinsam auf demokratischem Wege weiterentwickelt werden. Es können sich Mitglieder der Bündnisse zur Wahl stellen, um die Idee des Bündnisses auch auf höherer Ebene (siehe Skalierung der Parlamente) zu präsentieren und die Interessen ihrer Wähler, die vielleicht nicht die Zeit haben aktiv am Diskurs teilzunehmen, vertreten zu können (mehr Details unter Dynamische Wahl). Bündnisse können sich auch mit Themen befassen, die mehrere Politikfelder betreffen; dafür müssen sie jedoch aktiv in allen betroffenen Politikfeldparlamenten vertreten sein. (mehr Details zu Bündnissen)
Diskursräume
Diskurs als Voraussetzung legitimer Entscheidung. Die ursprüngliche Idee des Parlamentarismus hatte zum Ziel, dass in den Parlamenten ein politischer Diskurs stattfindet. In unseren modernen Demokratien haben sich Parlamente zu Foren für Parteien entwickelt. Die bereits in Ausschüssen (meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit) erarbeiteten Gesetzesvorlagen werden im Parlament der Öffentlichkeit nur noch präsentiert; ihre Entstehung bleibt intransparent und nicht nachvollziehbar. Diese Praxis kann man allenfalls als einen Scheindiskurs bezeichnen, der wahltaktischen Interessen der Parteien dient. Der Sinn des Diskurses, den wir über den DIREKTEN PARLAMENTARISMUS ermöglichen wollen, liegt im Schildern des eigenen und Kennenlernen anderer Standpunkte, der Entwicklung bestmöglicher Lösungsansätze durch ein größtmögliches Maß an Sachwissen, unterschiedlichen Perspektiven und ausgewogener Kompromissbereitschaft. Anders als im heutigen Parteien-Parlamentarismus wird nicht nur die Mehrheit der Wähler angesprochen. Politischer Diskurs wird erst durch Meinungsvielfalt möglich. Dies kann natürlich nur gelingen, wenn möglichst aus allen betroffenen Gesellschaftsbereichen Menschen am Diskurs beteiligt sind und auch unter gleichen Bedingungen teilhaben können. In dem System des DIREKTEN PARLAMENTARISMUS kann echter Diskurs stattfinden. Wichtig und möglich ist dieser vor Allem innerhalb eines Bündnisses, zwischen den Bündnissen eines Politikfeldparlamentes, aber auch zwischen einzelnen Politkfeldparlamenten und in gesamtgesellschaftlichen Bereichen. (mehr zum Diskurs im DIREKTEN PARLAMENTARISMUS)
Skalierung
Die Teilung der Parlamente. Die Teilung der Politikfeldparlamente kann aus zweierlei Gründen notwendig werden. Zum einen, weil ein Parlament schlicht zuviele Mitglieder hat, um einen nachvollziehbaren Diskurs weiter zu gewährleisten. Zum anderen, weil die heutige Aufteilung der staatlichen Zuständigkeiten dies erfordert (Kommunen, Gemeinden, Länder, Bund und Staatenbündnisse, siehe Subsidiaritätsprinzip). Die Skalierung der Parlamente und die Dynamische Wahl des DIREKTEN PARLAMENTARISMUS ermöglichen, dass auch Politikfeldparlamente mit sehr großer Beteiligung für Ideen Einzelner durchlässig bleiben. Dadurch steht das gesamte Potenzial der Gesellschaft für den politischen Diskurs in Echtzeit zur Verfügung. Außerdem ermöglicht die Skalierung bei politischen Themen, für die mehrere subsidiäre politische Ebenen zuständig sind (etwa Länder, Bund und EU), eine Politik aus einem Guss. Eine Versandung von Themen durch konkurrierende Zuständigkeitsbereiche wird somit verhindert. Über das System des DIREKTEN PARLAMENTARISMUS sind so selbst Lösungen für politische Themen in demokratischem Diskurs möglich, die von globalem Interesse und in globalen Zuständigkeiten verstrickt sind. (Details zur Skalierung)
Dynamische Wahl
Pro Thema eine Stimme. Eine weitere Besonderheit des DIREKTEN PARLAMENTARISMUS ist der dynamische Wahlmechanismus innerhalb der Bündnisse und Politikfeldparlamente. Da in unserem System Interesse an einem Politikfeld genügt, um Parlamentarier oder Parlamentarierin zu werden, ist für den Einzug in ein Parlament keine Wahl erforderlich. Innerhalb der Parlamente und Bündnisse können die Interessen und der Grad des Wunsches nach Mitgestaltung der Mitglieder jedoch weit auseinandergehen: Einige wollen lediglich eine Idee mit ihrer Stimme unterstützen, Andere möchten aktiv am Diskurs teilnehmen und ihre eigenen Ideen einbringen. Um diese unterschiedlichen Ansprüche zu ermöglichen und qualifizierte Bewegungen innerhalb der Politikfeldparlamente und Bündnisse verbindlich abzeichnen zu können, verwenden wir das Konzept der Dynamischen Wahl. Innerhalb eines Politikfeldparlamentes kann jedes Mitglied eine Stimme an ein Bündnis vergeben, indem es Mitglied eines Bündnisses wird. Da ein Bündnis immer für eine Idee steht, kann über diesen Mechanismus schnell gesehen werden, welche Idee auf wieviel Zuspruch unter den Parlamentarier trifft. Innerhalb eines Bündnisses kann man eine Stimme an eine Person, die sich zur Wahl gestellt hat, vergeben. Dies bietet sich an, wenn man an den Bündnisinternen Abstimmungen nicht persönlich teilhaben möchte. Dynamisch bleibt das Wahlsystem für die Mitglieder, weil jedes Mitglied zu jeder Frage und zu jeder Zeit die Möglichkeit hat, von seinem direkten Stimmrecht zu einzelnen Fragen Gebrauch zu machen oder seine Stimme einem Delegiertem zu entziehen und einem anderen Delegierten zu übertragen. (Details zur Dynamischen Wahl)
chooso.org
Das Werkzeug. Mit chooso.org wollen wir einen Internetdienst entwickeln und betreiben über den es möglich sein wird DIREKTEN PARLAMENTARISMUS einfach anzuwenden. Da dieses Ziel mit klassischen Internet-Werkzeugen wie Foren, Blogs oder Wikis nicht realisierbar ist, liegt unsere wichtigste Tätigkeit im Entwickeln realisierbarer Konzepte und deren Programmierung. Die von uns entwickelte Software wird selbstverständlich jedem kostenfrei zur Verfügung stehen und über einen offenen Quellcode verfügen. Wir sind an der Weiterentwicklung der Software von möglichst vielen sehr interessiert und möchten dies mit Open Source ermöglichen. Die Plattform chooso.org soll künftig als Basis, Testplattform und zur Vernetzung aller Projekte, die unsere Tools verwenden, dienen.
Anwendungsbereiche
Demokratische Möglichkeiten für alle Lebensbereiche. Wie bereits eingangs erwähnt, eignet sich DIREKTER PARLAMENTARISMUS nicht nur für die heute als Staat bezeichneten Bereiche der Gesellschaft, sondern für alle Bereiche, in denen Menschen unter demokratischen Bedingungen zusammenwirken wollen. Auf den folgenden verlinkten Seiten entstehen praxisorientierte Spielformen des DIREKTEN PARLAMENTARISMUS, die den je spezifischen Anforderungen unterschiedlicher sozialer Systeme gerecht werden sollen. Auch können sich Konzeptionen für gleiche soziale Systeme durch die individuellen Vorstellungen und Wünsche der je Betroffenen unterscheiden.