23C3 - 1.5
23rd Chaos Communication Congress
Who can you trust?
Referenten | |
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Mareike Glöß |
Programm | |
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Tag | 4 |
Raum | Saal 4 |
Beginn | 14:00 |
Dauer | 01:00 |
Info | |
ID | 1616 |
Veranstaltungstyp | Vortrag |
Track | Culture |
Sprache | deutsch |
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Nerds und Geeks zwischen Stereotyp und Subkultur
Eine kulturanthropologische Untersuchung
In dem Vortrag sollen die Ergebnisse einer kulturwissenschaftlichen Forschungsarbeit vorgestellt und diskutiert werden. Dabei wird der Begriff Nerd eher als Konstrukt, und weniger als gegeben betrachtet. Vorgestellt werden vor allem die Ergebnisse aus Interviews, teilnehmender Beobachtung und einer qualitativen Umfrage.
„Vor einem Jahr hörte ich erstmals das Wort Nerd. Von einer Amerikanerin erfuhr ich, dass man während ihrer Highschool-Zeit vor zwanzig Jahren zuerst kein passendes für diese, bei den Studentinnen weniger beliebten Kommilitonen gekannt habe, aber plötzlich wäre Nerd aufgetaucht und alle wären für dieses dringend benötigte Word dankbar gewesen wie für einen lang ersehnten Regenschauer.“ Diese Feststellung, die Max Goldt in seinem Aufsatz aus dem Jahre 1998 über das Wesen des Begriffs „Nerd“ macht, charakterisiert im Ansatz die Diffusität der Konnotationen, die im Zusammenhang mit diesem, im deutschen Sprachraum relativ jungen Begriff anklingen. Im englischsprachigen Raum hat er eine längere Geschichte und findet dadurch auch im wissenschaftlichen Diskurs Niederschlag. Eine Definition des Konstruktes ist dort also viel eher möglich. In Deutschland ist der Begriff deutlich jünger und dadurch wesentlich schlechter zu definieren. Und umgekehrt ist das Konstrukt in keiner Weise begrifflich greifbar oder definierbar. Vielmehr existieren mehrere Begriffe nebeneinander. Also stehen wir vor zwei Problemen: Einerseits bestehen für denselben Begriff verschiedene Bedeutungen, die von dem klassischen US-amerikanischen Bild des Strebers bis hin zu dem einsamen, autistischen Computer-Freak reichen. Andererseits existieren unterschiedliche Stereotype, die im Sprachgebrauch oft nur unklar und diffus umrissen sind. Als Folge der immer größer werdenden Bedeutung von Computern und Technik in unserem Leben, hat sich ein neues Stereotypbild herausgebildet, das, obwohl nicht immer namentlich bekannt, doch eine weite Verbreitung gewonnen hat. Das Bild des oft langhaarigen, blassen, bebrillten Einzelgängers, der nur vor dem Computer sitzt, wird meist durch wenige Schlüsselwörter erkannt und eingeordnet und hat somit einen hohen Wiedererkennungswert. Dabei nimmt der Computer mittlerweile eine Schlüsselrolle ein. Ein Nerd wird, dem Stereotyp zufolge, in erster Linie über die intensive Beschäftigung mit seinem Computer definiert, die jeglichen Betätigungen im sozialen Umfeld, beziehungsweise mit der eigenen Körperkultur, unterbindet. Überspitzt formuliert: Für soziale Kontakte oder Körperpflege fehlt dem Nerd die Zeit. Es wäre allerdings falsch, im Rahmen einer möglichst umfassenden Betrachtung nur dem Stereotyp Aufmerksamkeit zu widmen. Vielmehr hat sich in den letzten Jahren auch eine Art Subkultur gebildet, für die der Begriff „Nerd“ nichts Abwertendes mehr darstellt, sondern vielmehr die Gelegenheit gibt, eine eigene Identität zu schaffen und sich dadurch aufzuwerten. In diesem Vortrag soll versucht werden, sich dem Konstrukt und auch dem Phänomen des Nerds auf Basis einer empirischen-kulturwissenschaftlichen Analyse, vorsichtig anzunähern und dem Konstrukt und Phänomen „Nerd“ im deutschsprachigen Raum einen zumindest partiellen volkskundlichen Zugang zu verschaffen. Es sollen die Ergebnisse aus Interviews, Umfragen und teilnehmender Beobachtung erläutert und gerne auch diskutiert werden.