23C3 - 1.5
23rd Chaos Communication Congress
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Referenten | |
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Daniel Kulla | |
Oona Leganovic |
Programm | |
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Tag | 4 |
Raum | Saal 3 |
Beginn | 16:00 |
Dauer | 01:00 |
Info | |
ID | 1452 |
Veranstaltungstyp | Vortrag |
Track | Community |
Sprache | deutsch |
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Chaos und Kritische Theorie
Adorno, Wilson und Diskordianismus
Kritische Theorie, wie sie sich vor allem an Adorno festmachen lässt, und Diskordianismus, der als Philosophie des Chaos zum Namensgeber des veranstaltenden Vereins wurde, gehören zu den am weistesten verbreiteten Elementen des 'social hacking'. Jedoch ist gerade in den letzten Jahren des Adbusting und des Hacktivism unübersehbar geworden, daß von beiden Denktraditionen in der Hauptsache stark vereinfachte und oft auch ideologisch abgeschlossene Formen Verwendung finden: Kritische Theorie wird zumeist auf ein unbestimmtes Unbehagen an der Kulturindustrie, der Globalisierung und den technologischen Entwickungen reduziert, während Diskordianismus zur Illustration oft bedenklicher Parteinahmen für irrationale politische Auffassungen dient. Im Vortrag wird der Versuch unternommen, die Kritische Theorie dem diskordischen Witz auszusetzen und den Diskordianismus der Ideologiekritik.
Während Wilson sich zahllosen Realitätstunneln in Teilnehmender Beobachtung aussetzt, in jeden Abgrund schaut und sich möglicherweise experimentell hineinfallen lässt, denkt die Kritische Theorie vom Wissen um den Holocaust, dem einen großen Abgrund aus, dessen Wiederholung es unbedingt zu vermeiden gilt. Und während vieles ihrem Blick entgeht, kann man Wilsons Neophilie und Optimismus, seinem Vorspielen von Möglichkeiten und nichts zuletzt der teilweise an Selbsthilfe-Handbücher gemahnenden Aufforderung, neue Möglichkeiten des eigenen Nervensystems zu spielen, vorwerfen, den Fokus von den gesellschaftlichen Verhältnissen weg und auf die (Eigen-)Schuld des Einzelnen zu richten. Wobei auch der Kritischen Theorie klar ist, dass die Verhältnisse so sind, wie sie sind, weil sie von jedem einzelnen ständig reproduziert werden. Eine Huhn-oder-Ei-Frage also? Alles bloß eine Frage der Perspektive?
Wenn nun der Versuch unternommen wird, die Kritische Theorie dem diskordischen Witz auszusetzen und den Diskordianismus der Ideologiekritik, soll es dabei um zweierlei gehen:
Erstens um eine Freilegung des jeweiligen Potentials, um die Frage danach, worin sich die populäre Version von diesem Potential unterscheidet oder ihm gar entgegensteht. Hierzu wird die diskordische Infragestellung des je eigenen Standpunktes der intellektuellen Autoritätsvorstellung der Kritischen Theorie entgegengehalten und andersherum die vermeintliche diskordische Offenheit, etwa im verschwörungstheoretischen Diskurs, ideologiekritisch betrachtet. Es wird diskordische Witze über Adorno geben und in der Gegenrichtung adornitische Humorkritik.
Zweitens soll es um die Möglichkeiten der wechselseitigen Anregung gehen, wobei zu diskutieren sein wird, inwiefern diese Wechselwirkung wegen der verschiedenen sozialen und politischen Hintergründe der beiden Denktraditionen nicht zustande kommt. Hier wird das jeweilige Bild vom andern interessieren und die Frage, welche Szenen und Bewegungen sich jeweils aus welchen Motiven für eine der beiden Ideengebäude entschieden haben. Zur Diskussion stellen sich die Möglichkeiten einer kritischen Bewaffnung des Chaos und eine Psychedelisierung der Kritischen Theorie.