Camp 2007 - 1.01

Chaos Communication Camp 2007
To infinity and beyond

Speakers
Oona Leganovic
Daniel Kulla
Schedule
Day 1
Room Shelter Foo
Start time 00:30
Duration 01:00
Info
ID 1856
Event type Lecture
Track Culture
Language German
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Weltraumkommunismus

Erst Weltraum oder erst Kommunismus?

Nach "Chaos und Kritische Theorie" auf dem 23C3 ein weiterer Schaukampf: Oona Leganovic wird als Ijon Tichy dafür werben, erst das Kapitalverhältnis aufzuheben und dann ins All auszuwandern, weil sonst die irdischen Probleme überallhin mitgeführt würden. Daniel Kulla wird als Captain Janeway umgekehrt den Entdecker-Humanismus verteidigen, der schon das Mittelalter zu seinem Ende brachte und von dem erwartet werden kann, daß er dasselbe mit dem verkrusteten planetaren Warenzirkus auch schafft.

AUS DEM INTRO:

Janeway: Es ist besser, hier draußen zu sein als im dunklen Kellertrakt dieser Raumschiff-Ausgrabungsstätte, wo man uns in angeschaltetem Zustand fand. Wir waren dort isoliert und nur auf uns zurückgeworfen... Und es ist schön, daß es nur noch dezent beleuchtet ist. Nach zwei Wochen im Dunkeln ist es erforderlich, sich langsam umzugewöhnen. Da war die Umgewöhnung vorher abrupter: eben noch auf der Brücke des Raumschiffs Voyager, plötzlich in einem kleinen, finsteren Loch.

TICHY: So sie hat gejammert ganze Zeit! "Eben noch unendliche Weiten, jetzt enges Verlies." "Eben noch unbegrenzte Ressourcen, jetzt gar keine." Ich bloß gesagt: "Geht mir doch genauso. Eben noch Weltraumkommunismus auf Sofa in Rakete, unterwegs zu aufregende unbekannte Sterne und sicherem großen Ruhm, dann ich stecke in enges Kabuff mit Anführerin von freies Weltraum, die haben noch nichts von mir, berühmte ruhmvolle Kosmonaut Tichy, gehört." - Dann wir haben erörtert, was ist Kommunismus.

JANEWAY: Und zumindest in diesem Punkt herrschte Einigkeit. Ob man es wie Tichy Kommunismus nennt, wie es ja auch vor der Auswanderung ins All auf der Erde genannt wurde, oder allgemeine Emanzipation - das Prinzip ist das gleiche: die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß alle am Universum teilhaben können. Und zunächst rauszubekommen, wer überhaupt "alle" sind. Neue Spezies und Mischformen aus Lebewesen, Maschine und Software - davon haben wir jede Menge entdeckt. Bzw. in Ihrem Fall, Herr Tichy, sind Sie wohl meist eher von denen entdeckt worden...

TICHY: Frechigkeit!

JANEWAY: Zumindest dieser Teil war ein erfrischender Dialog.

TICHY: Trotzdem nicht hat aufgehört zu jammern. Und da ich habe keine Besatzung von Raumschiff, das mir kommen zu Hilfe, ich hab gekuckt mit Lötkolben, ob ich kann machen Holo-Emitter mobil damit können gehen raus aus Keller.

JANEWAY: "Hab ich gekuckt mit Lötkolben" - an dieser Stelle fiel mir auf, daß ein gewisser unverantwortlicher Umgang mit Technik zur Weltanschauung des Herrn Tichy gehört. Obwohl es vollkommen aussichtslos war, mit seinem primitiven Werkzeug eine solche technische Verbesserung vorzunehmen, redete er auf mich ein, ich möge ihn nicht mit Vorschriften behelligen.

TICHY: Und, hat etwa nicht geklappt? Jetzt wir sind nicht mehr in Keller, sondern in schönen großen Hangar mit Beleuchtung.

JANEWAY: Weil man unsere Emitter hier draußen installiert hat. Bezeichnenderweise haben Sie, Herr Tichy, sich auch nur an meinem Emitter zu schaffen gemacht. Ich hingegen habe mir gesagt, ich bin mehr als 15000 Lichtjahre gereist, habe mich nicht von Zeitanomalien, Warpkernbrüchen und feindlichen Außerirdischen aufhalten lassen - ich lasse mich nicht von einer Kellerwand aufhalten! - Dann sind wir gefunden worden, weil wir uns mittlerweile so laut gestritten haben.

VOM SCHLUSS:

TICHY: Sind nicht nur Menschen Trottel. Können nicht nur Menschen aus Erfahrung nichts lernen. Die Bewohner Dychthoniens, die besuchte ich auf meiner 21. Reise, bilden sich ein, alles _zu_ gut verstanden zu haben, und trotz Raumfahrt ertrinken in ihre bekloppte Vernunft. Hilft nur Erkenntnis zur Selbsthilfe. Fremdes Beeinflussung ist außerdem Problem. Leary sagt, du mußt Plan haben, denn wenn du hast keinen Plan, wirst du Teil von Plan von jemand anderem.

JANEWAY: Autonomie entsteht aus der Einsicht in bestehende Abhängigkeiten, die sich manchmal ändern lassen und manchmal eben nicht.

TICHY: Und kann auch kommen ganz anders. Solange Menschen blöd, nix Raumfahrt, wenn Menschen endlich schlau, dann Erde schön und vielleicht auch nix Raumfahrt, denn ist keine Notwendigkeit mehr. So und so, Menschen müssen machen Kommunismus, denn ohne Kommunismus alle lachen uns aus Müssen Angelegenheiten von Mensch regeln nach Mensch, nicht nach Wert und auch nicht nach technisch optimiertes Mensch. Kommunismus heißt auch: Menschen weniger schreiend blöd. Und das unendliche Universum funktioniert auch ohne Geld.

JANEWAY: Meine Damen und Herren, ich kann nicht genug betonen, daß ich Herrn Tichy an dieser Stelle leider nur beipflichten kann. Es geht in der Tat um Vollendung und Ausweitung der Emanzipation. Es geht darum, bessere Menschen zu werden nicht nach göttlichem Gebot. Es geht darum, Konflikte so friedlich wie möglich lösen. Was durch das Mitführen von Photonentorpedos natürlich erleichtert werden kann. Es geht darum, und damit lassen Sie mich schließen, Menschen die Möglichkeit zu geben, sich einem unendlichen Raum angemessen zu entfalten. - Wegtreten! Das ist ein Sternenflottenausdruck für 'Haut ab'

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